Umkehr, die befreit
Das rote Kreuz auf unserem Fastentuch gibt uns jetzt in der Fastenzeit die Richtung an. Das rote Kreuz erinnert an die Liebe Jesu zu uns, die sich ganz besonders in seinem Einsatz für Arme und Ausgegrenzte gezeigt hat und bis zum Tod gegangen ist. Kurt Zisler hat dieses Kreuz zerschnitten und wieder zusammengenäht um die Wunden Jesu sichtbar zu machen. Mit Jesus ist das gesamte Leid der Menschen aus den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen verbunden. Sie finden wir wieder, wenn wir den Kreuzweg Jesu mitgehen und beten, wie hier in der Kirche an jedem Mittwoch um 18 Uhr.
Das rote Kreuz steht aber genauso für die Rettung, die uns die Liebe Jesu gebracht hat, denn er ist von Gott durch den Tod hindurch gerettet worden und hat uns die Hoffnung gegeben, dass auch wir mit offenen Armen erwartet werden.
In der Andräkirche gibt es jedes Jahr einen anderen künstlerischen Akzent in der Fastenzeit. Heuer hängt ein weißer Elefant aus Papier vor dem Altarraum von der Decke. Vielleicht kennen sie die Redewendung „der Elefant im Zimmer“. Ursprünglich kommt dieser Vergleich aus dem Russischen und ist dann im englischsprachigen Raum populär geworden und so zu uns gekommen. Es meint ein Problem, das klar erkannt wird von allen, aber nicht angesprochen wird. Es bleibt ein Tabu im Gespräch, obwohl es scheinbar mit Händen zu greifen ist und über uns schwebt. Der Künstler Edgar Honetschläger, der den Elefanten in die Kirche gebracht hat, will mit seinem Elefanten an alle erinnern, die bei uns bewusst oder unbewusst nicht erwähnt werden, die Randexistenzen. Die Fastenzeit ist die Zeit sich Menschen und Begebenheiten zu stellen, denen wir gerne ausweichen. Das Verdrängte, das bestens gehütete Geheimnis soll uns ins Bewusstsein kommen, der verlorene Sohn, die verlorene Tochter.
Mich erinnert dieser weiße Elefant an einen anderen Elefanten von dem der bekannte Psychotherapeut Jorge Bucay erzählt. Bucay war als Kind voll und ganz vom Zirkus fasziniert und im Zirkus von den Elefanten. Er beobachtet sie genau und bewunderte sie für ihre Kraft und Geschicklichkeit. Aber etwas wunderte ihn. Vor und nach dem Auftritt waren diese grauen Riesen neben dem Zelt mit einer Kette an einem kleinen Pflock angekettet. Leicht hätte dieses mächtige Tier den Pflock herausziehen und flüchten können. Aber das taten die Elefanten sicher nie. Er fragte seinen Vater und seine Lehrer, warum das so sei, bekam aber nie eine befriedigende Antwort darauf. Erst Jahre später, als er schon ein anerkannter Therapeut war, lüftete sich dieses Geheimnis. Die Zirkuselefanten werden gleich nach der Geburt mit einer Kette an einen solchen Pflock gebunden. Und als Säuglinge können sie wirklich nicht diesen Pflock aus der Erde ziehen. Tage lang kämpfen sie mit diesem Pflock, bis sie eines Tages entnervt aufgeben und dann ein Leben lang glauben, dass sie sich nicht von dieser Vorrichtung befreien können.
In uns allen steckt ein solches Elefantenbaby, das von seiner eigenen Hilflosigkeit und Schwäche überzeugt ist. Das heutige Evangelium will uns ermutigen neu und anders von uns zu denken. Es sagt uns: Du musst nicht bei den Schweinen sitzen bleiben wie der verlorene Sohn am Tiefpunkt seines Lebens. Genauso wie er kannst du dich von allem, was dich niederdrückt und fesselt befreien, wenn du bereit bist, darauf zu vertrauen, dass du erwartet wirst mit offenen Armen, weil du geliebt bist.
Das ist Umkehr, die befreit, heilt und rettet. Geh heim, komm heim. Du wirst erwartet, auch in diesem Jahr. Der barmherzige, väterliche und mütterliche Gott ist da und wartet auf dich. AMEN!