Predigt
Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht
(Bitte Gotteslob Nummer 429 Gott wohnt in einem Lichte aufschlagen)
Achtung, die heutigen Texte könnten uns auf eine falsche Fährte führen!
1. "Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann. Von seinem
Angesichte trennt uns der Sünde Bann.
Unsterblich und gewaltig ist unser
Gott allein, will König tausendfaltig, Herr aller Herren sein."
Das klingt im ersten Moment nach einem wunderschönen, aber für uns doch unerreichbaren Gott, indessen Lichtschein wir höchstens ein bisschen gelangen können, wenn wir die zehn Gebote alle perfekt halten, die wir heute gehört haben.
Aber wir lassen uns nicht auf diese Fährte locken, sondern schauen weiter und tiefer.
2. "Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von uns nah. Ob er gleich
Mond und Sterne und Sonnen werden sah, mag er dich doch nicht missen in
der Geschöpfe Schar, will stündlich von dir wissen und zählt dir Tag und
Jahr."
Jochen Klepper, ein schlesischer evangelischer Theologe, hat diesen Liedtext geschrieben. Und er zeigt in diesen ersten beiden Strophen dieses große Wunder auf, dass Gott unendlich groß ist und die Weite des Alls im Blick hat und trotzdem stündlich von mir wissen will. Er interessiert sich genau für meine Situation und meinen Alltag. Dieses "will stündlich von dir wissen" habe ich mir bildlich vorgestellt. Es ist, als würde Gott wie ein guter Freund regelmäßig bei mir abklopfen und fragen, wie die Lage ist: "Was bewegt dich gerade? Was freut dich? Was bedrückt dich? Erzähl mir alles ganz ungeschminkt und hab Vertrauen, ich kümmere mich darum."
Jochen Klepper schreibt diesen Text 1938 mitten in der Bedrohung des Nationalsozialismus. Und er ist wirklich sehr bedroht, denn er hat eine jüdische Frau geheiratet. Und trotz all dieser Bedrohung und Finsternis will er sein Vertrauen nicht aufgeben:
"Aus seinem Glanz und Lichte
tritt er in deine Nacht: Und alles wird zunichte, was dir so bange macht."
Was uns niederdrückt und lahmlegt, soll keine Macht über uns haben. Das wird auch bei den zehn Geboten ausgedrückt: du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Lass dich nicht gefangen nehmen von negativen Gedanken, von angsteinflößenden Nachrichten, von Streit oder Unmut. Gott will uns in die Freiheit führen die uns aufblühen lässt.
Und das Schöne ist: unser Gott tut alles dafür, uns vor falschen Zwängen zu befreien und wird bei Bedarf sogar handgreiflich dafür. Das haben wir im heutigen Evangelium gesehen. Jesus räumt alles aus dem Weg, was uns von der direkten und innigen Begegnung mit Gott und untereinander abhält. Damals waren es die Händler und Geldwechsler, die die Menschen auf dem Weg zu dieser direkten Begegnung und Anbetung aufgehalten haben oder den Eindruck vermittelt haben, dass dieses Opfer darzubringen die Voraussetzung ist, um überhaupt von Gott angenommen zu sein und vor ihn hin treten zu dürfen. Heute sind das vielleicht viele Verpflichtungen, Aufgaben die wir zu erledigen haben, der Stress des Alltags, der uns im Weg steht und ein Stück weit versklavt. Aber Jesus will auch uns den Weg freiräumen, damit es zu einer innigen Begegnung untereinander und mit dem Vater kommen kann. Das klingt jetzt vielleicht abstrakt, ist es aber gar nicht. Wenn mich der Gedanke an Berge von Erwartungen, die an mich gestellt werden, oder, was noch schlimmer ist, die ich selber an mich Stelle, lahmlegen, bitte Jesus, mir den Weg wieder zu bahnen und meinen Blick wieder freizulegen auf das, was wichtig ist. Und plötzlich kann ich aufatmen und wieder wahrnehmen, dass dieses Licht in mein Herz eintritt, von dem Jochen Klepper singt:
Nun darfst du in ihm leben und bist nie mehr allein, darfst in ihm
atmen, weben und immer bei ihm sein. ... Er will dir zur Seite gehen und führt dich himmelan.
Amen.