Predigt
Streck dem Armen deine Hand entgegen
Liebe Gottesdienstgemeinde hier in Graz-Christkönig / Graz Hl. Schutzengel!
Von den Talenten
Im heutigen Evangelium ist die Rede von Knechten, die von ihrem Herrn Talente bekommen. Ein Talent war in der Antike eine Maßeinheit. Die Knechte, also die Angestellten, sollen dem Evangelium nach etwas aus ihren Talenten machen, sie gewinnbringend anlegen. Das tun alle bis auf einen, der sein Talent nicht veranlagt, sondern versteckt und damit den Zorn seines Vorgesetzten auf sich zieht. Weil er aus seinem Talent nichts gemacht hat.
„Der Herr will also, dass wir etwas machen aus unseren Talenten, aus unserem Leben, aus dem, was wir mitbekommen haben“, im übertragenen Sinn also, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten, die ein Mensch mitbringt. Fähigkeiten und Talente. Welche sind die meinen? Was kann ich überdurchschnittlich gut? Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir, dass wir alle ausgestattet sind mit Talenten – ungeachtet unserer Herkunft, unseres Geschlechtes, unseres finanziellen Polsters. Natürlich, unsere Stärken sind unterschiedlich gelagert – nicht jeder von uns ist ein erfolgreicher Unternehmer, nicht jede von uns eine Spitzensportlerin. Bei näherem Hinsehen aber gibt es ein Talent, das jedem und jeder von uns innewohnt: Wir alle können dem und der Nächsten unsere Hand entgegenstrecken, können uns ergreifen lassen von unserem und unserer Nächsten. Von einem Mitmenschen, der gerade Hilfe braucht. Genau diesen Menschen hat Papst Franziskus den heuteigen „Welttag der Armen“ gewidmet, den wir hier gemeinsam als Elisabethsonntag oder auch Caritas-Sonntag begehen.
Caritas begegnet Not
Als Caritas Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begegnet jeden Tag Not in jedem Mann, jeder Frau, jedem Kind, die in Not geraten sind und in dieser Notsituation um Hilfe bitten. Egal woher sie kommen oder in welche Verstrickungen sie geraten sind - diese Menschen stehen uns nahe und werden so zu unseren Nächsten. Mit ihnen und für sie bewirken Zuhören, Beratung und aktives Handeln oft kleine, manchmal auch größere Schritte der Entwicklung in ihrem Alltag. Manchmal sprechen uns diese Menschen aus tausenden Kilometern Entfernung an, sehr oft auch direkt vor unserer Haustür. Es gibt sie mitten unter uns, die Menschen, die nur deshalb wissen, wo sie heute Abend ein sicheres Dach über dem Kopf und eine warme Decke finden können, weil sie Aufnahme in einer der Caritas-Notschlafstellen finden. Sie leben mitten unter uns, die Menschen, die sich nur deshalb ein Mal am Tag mit einer warmen Mahlzeit satt essen können, weil sie als Gäste im Marienstüberl willkommen sind. Es gibt sie, die Menschen mit schweren körperlichen und psychischen Erkrankungen, die ohne Krankenschein und Versicherung nur deshalb ärztliche Behandlung erfahren, weil sie kostenlos als Patientinnen und Patienten in der Marienambulanz behandelt werden können. Es gibt sie mitten unter uns, die Menschen, die sich nur deshalb neue Kleidung leisten können, weil sie diese von den gespendeten Kleidern über die Caritas erhalten. Es gibt sie mitten unter uns, die Menschen, deren Leben aus der Spur gerät, und die wieder Halt bekommen, weil sie durch die Caritas Überbrückung und neue Perspektiven durch Beratung erhalten.
Corona als Brennglas
Die Entwicklung all dieser Beispiele erleben wir seit Jahren. Heuer verschärfend dazugekommen ist die Covid19 Pandemie und ihre Auswirkungen. Wir alle verspüren die Folgen des Virus deutlich, denken wir nur an die hohe Arbeitslosigkeit in unserem Land, die wirtschaftliche Entwicklung, die radikale Einschränkung von Besuchsmöglichkeiten in Spitälern oder die Aufforderung unsere Sozialkontakte drastisch einzuschränken. Als Caritas haben wir bereits im Frühjahr die deutlich negativen Auswirkungen der Covid Maßnahmen für armutsgefährdete Menschen wahrgenommen: wir haben in unserem Land sehr viele Menschen, die ihr Leben früher schon sozusagen „an der Kante“ bestritten haben. So haben sie vielleicht bei den Nachbarn geputzt oder den Garten in Schuss gehalten, oder in der Bar am Ende der Straße als Aushilfskellner gejobbt. Solche Tätigkeiten fielen plötzlich weg, und damit auch ein Standbein der Existenz für viele. In dieser Zeit haben wir als Caritas gemeinsam mit vielen Freiwilligen das Thema „Lebensmittel“ in den Fokus gestellt. Es ging dabei einerseits darum, gespendete Lebensmittel als Nothilfe zu den Menschen zu bringen, andererseits auch einen Beitrag im nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln zu schaffen, die sonst direkt auf dem Müll landen würden. Dadurch erhielten viele Menschen einen etwas größeren Spielraum hin zur sprichwörtlichen „Kante“ mit der sie jedes Monat bestreiten müssen.
Schnelle Hilfe in der Caritas Sozialberatungsstelle
Das ist auch der Grund, warum wir heuer in den Sozialberatungsstellen der Caritas eine deutliche Zunahme der Anfragen und nötigen Beratungen bemerken. Ich möchte Ihnen diese Situation am Beispiel von Nicole S. verdeutlichen: Nicole S. arbeitet als selbstständige Fußpflegerin. Wegen des Lockdowns konnte sie ihren Salon wochenlang nicht aufsperren.
Das gesamte Einkommen war mit einem Schlag weg. Auch ein Kredit bei der Bank wurde abgelehnt. Der erste Teil des Härtefallfonds reichte nicht lange. Daraufhin ging Nicole S. zur Sozialberatung der Caritas. „Die schnelle finanzielle Hilfe war eine
echte Entlastung“, erzählt sie. Nicole konnte so offene Rechnungen bezahlen und den
Kühlschrank wiederfüllen. Dennoch bleibt die finanzielle Situation der kleinen Familie
angespannt. In den Beratungsstellen der Existenzsicherung (BEX) helfen
wir nach Unfällen, Schicksalsschlägen, Jobverlust und Trennung. Konkret können wir u.a. Miet und Heizkostenzuschüsse finanzieren, damit Familien ihre Wohnung nicht verlieren und
nicht frieren müssen, Lebensmittelgutscheine ausgeben, damit der Kühlschrank wieder
gefüllt werden kann oder Beratung anbieten, um – im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe –Menschen zu helfen, das eigene Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu können.
Danke und Bitte um Elisabethsammlung
Vieles, was wir als Caritas für Menschen in Not tun, können wir nur mit Spenden finanzieren,
Heute möchte ich mich deshalb ganz besonders bei Ihnen für Ihre vielfältigen Spenden über das ganze Jahr hindurch bedanken, mit der Sie es uns ermöglichen, gemeinsam tatkräftig für Menschen in Not einzutreten.
Und ich bedanke mich sehr herzlich bei allen Frauen und Männern, die das Kostbarste spenden, was ihnen zur Verfügung steht – ihre Lebenszeit, indem sie als Freiwillige und Ehrenamtliche in vielfältige Weise mitwirken, die Not von Menschen zu lindern: in Sozialkreisen, bei Sprechstunden, bei Abholung von Lebensmitteln, in Besuchsdiensten, als Haussammlerin oder Haussammler. Im Jahr 2021 feiern wir das 70 Jahr Jubiläum der Haussammlung in unserer Diözese. In Anbetracht der Corona Rahmenbedingungen konnten wir mit Zustimmung unseres Herrn Diözesanbischofs den Sammelzeitraum verschieben, in die Zeit von 19.März bis zum 31. Mai. Wir werden so Aktivitäten planen, die den Einsatz für Menschen in Not an den Haustüren und an den Gartenzäunen möglich machen sollen.
„Streck dem Armen deine Hand entgegen“ ist die heurige Botschaft des Papstes anlässlich
des Welttags der Armen. Es ist einer Aufforderung gleichzusetzen, die Last der Schwächeren
zu tragen und sie zu unterstützen. Physisch müssen wir zwar Abstand halten, doch innerlich
müssen wir besonders in diesen herausfordernden Zeiten zueinanderstehen.
In diesem Sinne bitte ich Sie, unsere Elisabethsammlung auch in diesem besonderen Krisenjahr
zu unterstützen, damit wir all jene, die besonders krisengebeutelt sind wieder auf die
Beine helfen können und die Corona-Krise keine soziale Krise wird.
Vielen Dank für Ihre Hilfe und Solidarität!