Tauet Himmel, den Gerechten
Am vergangenen Sonntag hat Pfarrer Wolfgang uns den lieben Advent angesagt und ich darf heute die Predigtreihe zu Adventliedern aus dem Gotteslob mit dem Lied „Tauet Himmel den Gerechten“ abrunden. Auch wenn zum heutigen Evangelium die Strophen 2 und 4 geradezu eine Auflage für die Predigt wäre, so möchte ich doch meine Gedanken zu den ersten drei Zeilen der ersten Strophe mit Euch/Ihnen teilen.
Tauet, Himmel, den Gerechten.
Viele Textschreiber unserer, in der Kirche, bekannten Adventlieder haben sich sehr stark von den Texten des Propheten Jesaja inspirieren lassen. Jesaja richtete seine Wort an das Gottesvolk Israel im babylonischen Exil. In dieser dunklen Zeit erhält das Volk die Zusage, dass etwas Neues, Unerhörtes anbricht, dass das Volk wieder durchatmen und aufleben lässt.
In Jesaja 45,8 spricht Gott: „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der HERR, erschaffe es.“
Die erste Fassung des Textes von „Tauet, Himmel, den Gerechten“ stammt vom Jesuitenpater Michael Denis aus dem Jahr 1774 in Wien. Der Text orientiert sich dabei am lateinischen Bibeltext: „Rorate, caeli …“. Hier klingt auch das uns vertraute Wort „Rorate“ heraus.
Der Textdichter hat aus der Gerechtigkeit den „Gerechten“ gemacht. Das ist aus unserer christlichen Sicht, dass Jesus der Messias ist, durchaus in Ordnung. Bei Jesaja ist der babylonsiche König Kyrus der Messias, der das Volk Israel aus der Gefangenschaft in die Heimat ziehen lässt.
Wolken, regnet ihn herab.
Hier klingt die Sehnsucht des Gottesvolkes nach Freiheit an. Diese Sehnsucht nach Freiheit ist in gerade auch jetzt, in unserer gegenwärtigen Zeit, omnipräsent. Durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen und Auflagen, erfahre ich selbst erstmals, dass ich eingeschränkt werde und dass Freiheit keine Selbstverständlichkeit ist. Um wieviel mehr sehnen sich wohl jene Menschen danach, die aus ihren Herkunftsländern geflohen sind, in der Hoffnung , dass sie in ein Land kommen, wo Freiheit und Gerechtigkeit als selbstverständlicher hoher Wert gelebt wird und auch eingefordert werden darf.
Rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab.
Bange Nächte, die gab es in der Zeit des Jesaja genauso wie heute. Nächte voller Angst vor Terror, wie wir ihn kürzlich in Wien erlebt haben. Bange, schlaflose Nächte, in denen jene Menschen keinen Schlaf finden, weil sie sich um ihre Familienmitglieder sorgen, die im Krankenhaus sind und aufgrund der Pandemie nicht besucht werden können. Oder grausam lange Nächte, die Schwerkranke durchleiden, ohne zu wissen, ob sie den nächsten Tag überhaupt erleben werden.
Wir Christinnen und Christen sind immer wieder aufgerufen diesen dunklen Nächten unsere Hoffnung und Zuversicht entgegensetzen. Unser Hoffnungslied gegen die Angst des Todes können und dürfen wir anstimmen, weil wir daran glauben, dass Gott Mensch geworden ist, in dem kleinen Kind in Betlehem, und dass er von den Toten auferstanden ist. Die weiteren Strophen dieses Liedes führen uns hin zur Geburt des erwarteten Messias, Jesus.
Lassen wir den Tautropfen von Friede und Gerechtigkeit auf und unter unserer Haut spüren. Dieser Tropfen, der uns alle immer wieder neu benetzt, soll sich durch uns in einen wohltuenden Regen verwandeln. Einen Regen, der in unserem menschlichen Umfeld die Dürre der Angst und Verzweiflung benetzt und das Grün der Hoffnung sprießen lässt. Das Symbol dafür ist in dieser Advent- und Weihnachtszeit, das Grün vom Adventkranz und vom Christbaum. Das symbolische Grün und die Kerzen des Adventkranzes, sowie auch das Licht unserer Taufkerze, sollen uns immer wieder daran erinnern, dass wir in der Taufe zu diesem neuen Leben berufen worden sind. Berufen Lichtbringer zu sein in der Dunkelheit unseres Lebens. Komm, Herr Jesus, und mach durch uns diese Welt ein Stück hoffnungsvoller und heller. AMEN, MARANATHA!